Mein Auslandssemester an der Mittuniversitetet Sundsvall
Zum Urlaubmachen und für ein paar Wochen Work-and-Travel war ich schon öfter mal in Schweden. Die Kultur und Leute hier finde ich sehr entspannt und angenehm, weshalb meine Entscheidung für ein Auslandssemester schnell auf Schweden fiel. Zudem hatte die Mittuniversitetet den besten Internetauftritt und stellte alle Informationen für Exchange-Students gut erreichbar zur Verfügung. Als meine Reise nach Schweden losging, war ich noch am Schreiben meiner Bachelorarbeit. Das Wintersemester in Schweden beginnt nämlich schon im August, weshalb eine Überlappung für mich von Beginn an absehbar war.
Meine praktischen Versuche und Aufbauten für die Bachelorarbeit hatte ich in Deutschland vor der Abreise beendet, sodass nur der schriftliche Teil der Arbeit übrig blieb. Meine Prüfer haben mich bestmöglich unterstützt und haben mir angeboten, alles online weiterzuführen, wenn möglich. Dennoch würde ich im Nachhinein eine solche Überlappung nicht empfehlen.
Die Reise
Zum Studienort Sundsvall bin ich mit meinem Auto gereist, was den Vorteil hatte, dass ich sehr viele Gegenstände aus Deutschland mitnehmen konnte. Da ich vorher auch schon in einem kleinen Studentenzimmer gewohnt hatte, konnte ich fast alle meine Sachen abgesehen von Mobiliar in meinem Auto transportieren. Fahrrad auf dem Dach und los ging die Reise.
Wer überlegt, mit dem Auto nach Schweden zu fahren, sollte sich vorab Gedanken über Winterreifen/Sommerreifen machen. Hier oben im Norden fährt man im Winter normalerweise Reifen mit Spikes. Diese sind in Deutschland verboten. Deutsche Winterreifen wiederum sind für die Verhältnisse in Schweden nicht ausreichend.
Für die Fahrt habe ich mir mehrere Tage Zeit genommen und auf der Reise das Land und die Natur entdeckt. Dank dem Allemansrätt ist es jedem erlaubt, in der Natur zu zelten, solange man nichts zerstört und niemanden belästigt. Einen Tag habe ich an einem See geschlafen, den anderen an einem Fluss und dann mal auf einem Berg, aber immer in einer wunderschönen, nahezu unberührten Natur. Für meine Körperhygiene gab es an vielen Raststätten Waschräume mit Duschen, die günstig zu buchen sind. Die meisten Seen und Flüsse, an denen ich war, hätten ansonsten aber auch Trinkwasserqualität zum Baden gehabt.
Wohnungssuche
Nach 4,5 Tagen Reise bin ich dann in meinem neuen Studentenzimmer angekommen. Ich habe mich für ein Zimmer von K2A Västern entschieden. Das Haus wurde erst 2022 gebaut und somit war das ein Erstbezugszimmer, das ich bekommen habe. Hier habe ich ein eigenes Badezimmer mit Waschmaschine und eine große Küchenzeile mit Spülmaschine. Alles in allem ein sehr schönes Zimmer und das Campusgelände fängt gleich auf der anderen Straßenseite an.
Ein weiteres Wohnheim von Mitthem ist ebenfalls gleich nebenan. Die Uni ist direkt nebenan und die meisten Partys finden ebenfalls in unmittelbarer Nähe statt, jedoch auf der anderen Seite, sodass ich, wenn ich meine Ruhe haben wollte, nichts von dem ganzen Geschehen mitbekommen habe. Die meisten anderen Erasmus-Studenten sind jedoch im Wohnheim Mitthem-Nacksta untergekommen. Dementsprechend fanden die meisten Erasmus-Partys auch dort statt, ca. 20 Gehminuten von der Uni entfernt.
Das Studieren an der Mittuniversitetet
Im Spezialisierungsmodul "Autonomous Sensors", das ich im WiSe 2022/23 belegt hatte, gab es nur zwei weitere Studierende. Einer davon kam aus Italien und der andere ebenfalls aus Deutschland. Die Vorlesungen in meinem ersten Erasmus-Semester waren dementsprechend fast wie Privatunterricht und die Dozenten hatten den Unterrichtsstil dementsprechend angepasst. Wir hatten viel eigenständige Projektarbeit und die Vorlesungen waren mehr wie ein kleines Meeting mit hilfreichen Tipps und Informationen, als klassischer Frontalunterricht. Wenn man zwischendurch Fragen hatte oder das Projekt abwandeln wollte, waren die Dozenten immer da, persönlich oder per E-Mail.
Im zweiten Semester habe ich hauptsächlich meine Masterarbeit geschrieben. Als Erstprüfer musste ich einen Dozenten von der Jade-HS wählen, als Zweitprüfer konnte ich jedoch einen aus der Mittuniversitetet wählen. Die Betreuung in Schweden war sehr persönlich und wir hatten viele Meetings, um die nächsten Schritte zu besprechen. Ich denke, das ist jedoch individuell von dem gewählten Betreuer abhängig. Nebenbei habe ich einen weiteren Kurs besucht, in dem etwa 20 Teilnehmer waren. Hier war ein Großteil ebenfalls eine Projektarbeit.
Auch in anderen Kursen habe ich mitbekommen, dass viel Wert auf praktische Projektarbeit gelegt wird und viel eigenständige Arbeit vorausgesetzt wird. Die Professoren sind jedoch immer offen für Fragen und helfen gerne. Der Schwierigkeitsgrad der schriftlichen Prüfungen ist dafür deutlich geringer als in Deutschland, die Projektarbeit hat jedoch meistens einen größeren Einfluss auf die Note. Sprachlich können sowohl die Professoren als auch die schwedischen Studenten fließend Englisch sprechen. Ein paar Professoren sprechen sogar Deutsch oder kommen gebürtig aus Deutschland.
Der Schwedischkurs, der an der Uni angeboten wurde, ist meiner Meinung nach nicht sonderlich hilfreich.
Die Gruppengröße in dem Kurs ist einfach zu groß und alles, was man in dem Kurs lernt, kann man sich auch über Apps wie Babbel beibringen. Zudem hilft es einem wenig, die Basics einer Sprache während des Semesters zu lernen, wenn man nur ein Semester da ist. Das größte Problem ist jedoch, denke ich, dass sobald man versucht, sein gelerntes Schwedisch im Alltag anzuwenden, die meisten Leute superschnell auf Englisch wechseln, da es so für beide Seiten einfacher ist. Ein Professor, der gebürtig aus Pakistan kommt, erzählte mir, dass er ein Jahr in Deutschland gelebt hatte und in diesem Jahr mehr Deutsch gelernt hatte, als er in den letzten 15 Jahren Schwedisch in Schweden gelernt hatte. Generell kommt man überall super mit Englisch zurecht. Wenn man trotzdem die Sprache lernen möchte, würde ich empfehlen, im Alltag, z.B. um einen Kaffee zu bestellen, vorab zu erzählen, dass man Schwedisch lernt, damit die Leute nicht ins Englische wechseln. Das wird von den meisten auch positiv aufgefass.
Leben und Freizeit in Sundsvall
Sundsvall ist 1888 fast komplett abgebrannt. Die Regierung hat daher entschieden, dass in dem Stadtbereich künftig nur noch Häuser aus Stein gebaut werden dürfen und ein Mindestabstand zwischen den Gebäuden eingehalten werden muss. Dadurch hat die gesamte Stadt eine sehr schöne Architektur, und es gibt viel Platz. Man hat eigentlich nie ein Engegefühl. Fast alles ist gut zu Fuß erreichbar, und ansonsten ist die Busverbindung auch recht gut ausgebaut. Restaurants und Bars sind deutlich teurer als in Deutschland, insbesondere der Alkohol ist sehr teuer. Wenn man im Restaurant essen gehen möchte, empfiehlt es sich, dies mittags zu machen. Die Mittagstische sind oft günstiger als abends. Was ebenfalls empfehlenswert ist, ist das Hotel und Spa auf Södra Berget. Hier hat man eine wundervolle Aussicht über die Stadt und die umliegende Natur, während man sein Essen genießen kann.
Über die Weihnachtszeit, wenn die Tage kürzer werden, wird die ganze Stadt mit Weihnachtsbeleuchtung geschmückt. Zusammen mit dem Schnee, der über die gesamte Weihnachtszeit in Sundsvall liegt, kommt die Winterzeit gar nicht so dunkel vor, da all das wenige Licht vom Schnee reflektiert wird. Außerdem bietet diese Jahreszeit eine gute Chance, Nordlichter zu sehen.
Studentenpartys und andere Veranstaltungen werden oft von der Student Union geplant. Im Sommer gibt es viele Spiele draußen und ansonsten finden die meisten Veranstaltungen in Grönborg an der Uni statt. Die Veranstaltungen werden auf einer App namens ORBI gepostet. Dort kann man sich dann auch Tickets für kostenpflichtige Veranstaltungen kaufen. Während meiner Zeit an der Mittuniversitetet wurde ebenfalls ein International Committee neu gegründet. Das ist eine Vertretung für und von internationalen Studenten. Während meiner Zeit in Sundsvall wurden unter anderem ein internationales Fußballturnier und zwei Pub Quizzes mit internationalem Kontext vom International Committee geplant und durchgeführt.
Ich habe die Zeit an der Mittuniversitetet sehr genossen und viele neue Freunde kennengelernt. Ich kann jedem empfehlen, ein Auslandssemester zu absolvieren, und habe nichts Negatives über die Mittuniversitetet zu berichten.